Target Panic

Jeder kann fallen - wichtig ist, wieder aufzustehen!

Jeder kann fallen – wichtig ist, wieder aufzustehen!

Target Panic/Scheibenangst/Goldfieber

 (auf Englisch auch „buck fever“) ist ein, so scheint es mir, häufig verschwiegenes Problem. Zuzugeben, dass man eine mentale Schwäche und deshalb Probleme beim Bogenschießen (sei es „Einfrieren“ oder „verfrühtes Lösen“) hat, fällt vielen nicht leicht. Aber man kann nicht daran arbeiten, wenn man diese Seite seiner Persönlichkeit verbirgt und negiert. Häufig trifft es ergebnisorientierte Menschen! Da ist nicht der Weg das Ziel, sondern man möchte „Erfolg“ sehen, in unserem Fall einen Treffer. Das muss noch nicht mal ein Spot sein, aber der Fokus liegt klar im Kill/Gold.
Ich bewundere Menschen, die beim Bogenschießen so abschalten können, dass das Treffen völlig nebensächlich wird!

Auch Trainer können Scheibenangst haben, denn sie wirkt sich nicht auf das Unterrichten aus! Ich merke es ja selbst: ich kann problemlos Einweisungen geben und unseren Anfängern alles zeigen. Ich kann den Schussablauf des intuitiven Schießens korrekt lehren und vorführen, aber selbst nur schlecht ausführen. 😉

Durch die komplette Umstellung auf das Visierschießen bzw. den Compound inklusive Handwechsel bin ich meine „Ankerphobie“ beinahe losgeworden. Ich vermute, es liegt daran, dass ich beim intuitiven Schießen nicht „zielen“ soll. Mit Visier „darf“ ich es in einer gewissen Weise … 😉

Daher könnte ich mir vorstellen, dass dem traditionellen Schützen die Umstellung auf Systemschießen helfen könnte. Ob das dann String-, Facewalking, Gap-Shooting oder was auch immer ist. Dem Zielgeschehen mehr „Struktur“ geben … Vielleicht wäre „barebow“ auch für mich eine Option, aber ich bin so zufrieden mit dem Compound, dass ich diese Baustelle nicht aufmache.

Der Handwechsel ist übrigens tatsächlich eine Option. Ich habe von mehreren Schützen gelesen, dass sie nach dem Wechsel viel ruhiger ans Werk gehen konnten. Daher sollte man das ruhig ausprobieren – und zwar unabhängig vom dominanten Auge!
Ich glaube so langsam, dass über das „Dominante Auge“ viel zu viel geschrieben und gesprochen wird! Natürlich kann einem das dominante Auge einen Hinweis geben, ob man mit links oder rechts beginnt. Aber wenn man sich dann völlig unwohl fühlt und auch die Motorik nicht passt … kann das eine Grundlage für Probleme beim Schießen (auch für Scheibenpanik) sein.
Also am besten nicht so viel Gedanken über die eventuelle Kreuzdominanz machen. Man kann mit der „richtigen“ = passenden Hand und dem „falschen“ Auge zunächst beginnen, in dem man das dominante Auge einfach schließt. Dann verliert man zwar das räumliche Sehen, kann aber das schwächere Auge zum Zielen einsetzen. Man kann die Augen übrigens trainieren, das schwache Auge wird also mit der Zeit davon profitieren und irgendwann kann man dann wieder beide Augen öffnen.

Da ich so gut wie kein räumliches Sehvermögen habe und mein rechtes Auge deutlich schwächer ist als das linke (ich habe als Kind stark geschielt, und das ließ sich trotz Behandlung nicht vollständig korrigieren), schließe ich beim Bogenschießen rechts mit Visier einfach das linke Auge. Das funktioniert prima! Und da ich räumliches Sehen quasi nicht kenne, verliere ich diese Fähigkeit durch die Einäugigkeit nicht.

Leider hat sich bei mir beim intuitiven Schießen von Langbogen und Recurve bislang nichts verändert. Obwohl ich an den IB nun nicht mehr die „Treffer“-Erwartungen habe, die ich zuvor hatte. Vor einigen Wochen habe ich es beim Vereinstrainer trotzdem wieder einmal versucht: ich habe den Langbogen ausgepackt! Solange wir den Schussablauf gemeinsam auf „Ansage“ machen, habe ich keinerlei Problem, in den Anker zu gehen. Sobald wir den Schuss „alleine“ machen, klappt es nicht. Obwohl ich mich zu entspannen versuche. Trotz allem war mein Schussbild gar nicht schlecht, zumindest habe ich noch das Gespür!

CC hat einen speziellen Lehrgang besucht, um mir besser helfen zu können. Allerdings durchschaut mein Gehirn/Unterbewusstsein sofort, wenn es auf Umwegen auf die richtige Spur gebracht werden soll. Deswegen helfen mir die Übungen immer nur eine kurze Zeit. Zu- und loslassen sind also weiterhin meine Themen …

Vor ein paar Wochen habe ich ihm beim Training gesagt, dass ich den Spot im Gold nicht sehe. Als Compounder „gilt“ ja nur das X. Das rechte Auge, mit dem ich ziele, ist mein „Schlechtes“, kurzsichtig mit 2,5 Dioptrien. Mich irritiert, dass ich den Spot nicht sehen kann. Da meinte er: „sei froh, denn wenn man das X zu genau sieht, fokussiert man sich nur noch darauf, und das kann zu Stress führen.“ Das gab mir zu denken. Target Panic kann also entstehen, weil man sich zu sehr in das Treffenwollen „verbeißt“. Dass ich mit Visier rechts schieße, nimmt mir also den Druck – und genau so empfinde ich es auch. Dass es an der Sehschwäche liegt, ist mir neu, aber sie hat also ihr Gutes. 😉

Trotzdem können natürlich auch Visierschützen betroffen sein. Besonders wenn man den Winter über nur „Scheibe“ schießt, kann das alte Problem wieder zutage kommen (wie mir ein Betroffener bestätigte). 3D-Schützen sehen bei jedem Schuss ein anderes Trefferbild und müssen sich daher auf jeden Schuss neu einstellen. Auch das Wandern von Abschusspflock zu Abschusspflock hilft, sich auf die Handlung des Schießens einzustellen.

Das ist laut CC die Ursache des Übels: „treffen zu wollen“ statt sich auf die Handlung des Schießens zu konzentrieren. Und das geschieht beim Scheibenschießen sehr schnell. Bei mir äußert sich das darin, dass ich am Release reiße = „punche“. Ich habe mich mit einem anderen Compound-Schützen unterhalten, der von Scheibenangst betroffen ist: im Gelände nie, je mehr je länger die Hallensaison dauert. Er meinte, das „blank baile“-Schießen ( = ohne Auflage) bringe nicht so viel, denn man will ja irgendwann wieder auf eine Auflage schießen. Sinnvoller sei daher zwei Übungsmethoden:
1. Mit einem No-Release den Schussaufbau üben und NICHT schießen! Das Gehirn programmieren, dass man nicht schießen „muss“. Da dies erst im Unterbewusstsein ankommen muss, muss man dies zwei Wochen lang täglich üben. Schuss aufbauen, absetzen – Schuss aufbauen, absetzen …  Hartes Brot, aber sinnvoll!
2. Variation an der Scheibe! Beispielsweise vertikale oder horizontale Klebestreifen, auf denen man Linien schießt. Fantasy-Auflagen, Motive aus Klebepunkten, alles was einem einfällt. Zwischendurch darf es auch mal wieder die normale Auflage sein, aber eben nicht ausschließlich. Wichtig ist, ruhig im Kill/Spot/Zielpunkt zu stehen. Gelingt das nicht: absetzen!

Als Visierschütze hilft, sich durch das Peep auf den Pin zu fokussieren. Das Ziel wird dadurch verschwommen und verliert seine Bedeutung.

Bei einem Lehrgang habe ich außerdem den Tipp bekommen, auf ein Back Tension-Release umzusteigen. Denn der Trigger verleitet zum Punchen.

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Viele können sich mit Entspannungstechniken helfen, beispielsweise autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung. Auf Facebook hat ein Schütze Reiki empfohlen. Reiki ist eine Art „Heilen durch Handauflegen“, man kann damit seine Energiespeicher auffüllen.

Auch Tai Chi oder Qi Gong können sehr wertvoll sein, vor allem für die, die sich lieber bewegen als „nur“ zu entspannen. EFT und MET sind Klopftechniken, bei denen man mit den Fingerkuppen Meridianpunkte am Körper stimuliert. Man kann psychisch an Glaubenssätzen arbeiten, aber auch körperliche Beschwerden damit bearbeiten.

Aber wollten wir nicht eigentlich schießen? 🙂

Gutes Video für den olympischen Recurve: Wie man der Scheibenangst begegnet
Was man auch als Instinktivschütze übernehmen kann, ist die Scheibengröße – und auch das „blank bale“-Schießen (also auf eine Scheibe ohne Auflage). Jedoch mit Vorsicht, siehe oben. 😉

Im Free-Archers-Forum haben zwei Mitglieder einige Tipps gegeben, wie man an der Target Panic arbeiten kann:

– mit geschlossenen Augen in kurzer Entfernung auf die Scheibe schießen
– Scheibe ohne jegliche Auflage schießen („blank bale“)
– Ausziehen, den Pfeil ins Ziel bringen und wieder absetzen ohne zu schießen.
Letztlich geht es darum dem Schützen wieder ein gutes Gefühl zu vermitteln, wenn er den Pfeil ins Ziel bringt
und dabei den Bogen noch gespannt hält.
– Lösen auf Kommando durch Trainer/Trainingspartner (Los/Stop mit Absetzen oder Herunterzählen 2-1-Los) – baue ich regelmäßig im Training ein
– Metronom (Handy-App…) einsetzen: jede Phase im Schussablauf erhält eine feste Anzahl von Schlägen
– Konzentration auf den Schussablauf, Lösereiz durch/nach Aufbau der Rückenspannung – Zielen und Treffen muss dabei bedeutungslos sein
– Wechsel auf einen anderen Bogen für Halteübungen, insbesondere auf einen Bogen mit reduziertem Zuggewicht
– Schießen mit Klicker als Hilfsmittel („Rückenspannung“, „Lösereiz“) zur Neu-Konditionierung
– „Schwenken“: Zielen/Ankern auf Fläche neben dem Ziel. Schwenken, neue Ziel-Fokussierung, Aufbau Rückenspannung, Lösen.

Dazu – ganz wichtig – den Schussablauf notieren und immer verfeinern. Das ist eine Übung, die wir in der Trainingsgruppe sowieso machen. Der Reisende achtet darauf, dass wir wirklich an unseren Aufzeichnungen arbeiten.
Diesen Schussablauf mental durchgehen, hat mir persönlich viel gebracht! Dieses Mentaltraining kann man immer und jederzeit machen, man muss die Bewegung nicht mal „tatsächlich“ durchführen. Ob in einer Arbeitspause, abends vor dem Einschlafen, nachmittags am Kaffeetisch … Wichtig ist, sich den Ablauf tatsächlich „real“ vorzustellen, auch in der üblichen Geschwindigkeit. Die Muskulatur reagiert messbar auf dieses Training – so kann man beispielsweise auch üben, wenn man einmal nicht tatsächlich schießen gehen kann, egal ob einen Arbeit oder Krankheit abhält.
Mehr zum Mentaltraining habe ich bereits in einem anderen Blog-Beitrag veröffentlicht.

Es gibt aber noch mehr Tipps, die ich gerne als Lesestoff angeben möchte:

zum Einen das Buch von Jay Kidwell.

Zum Anderen das Buch von Ekkehard Höhn: „Der befreite Schuss“

Zwei Artikel auf der Website des Vorderegger-Verlags

von Billy Berger: pa23-4targetpanic

Ein Artikel von Steve Ruis. Er hat ein wirklich sinnvolles und nachvollziehbares Trainingsprogramm in 5 Schritten ausgearbeitet.

Der bekannte US-amerikanische Mentaltrainer Lanny Bessham bietet ein Hörbuch speziell zur Thematik an. Es gibt auch kostenlose Informationen zum Mentaltraining in einem Newsletter.

Mentaltraining kann vorbeugen und heilen! Dazu gibt es z.B. ein Buch von Leo Duncan.
Michael Draksal hat ein Buch verfasst: „Mentale Wettkampfvorbereitung für Sportschützen“. Das könnte für Visierschützen passen, jedoch nicht für Intuitiv-Schützen.

Gerne würde ich wieder meine traditionellen Bögen schießen „können“. Es ist für mich ästhetischer und von Parcours und Turnieren flexibler. Aber ich bin froh, dass ich mit dem Compound und dem Visier eine Möglichkeit habe, das Bogenschießen wieder zu genießen!
Jedenfalls beneide ich jeden, der fröhlich und frei intuitiv schießen kann!

Hier noch ein Video zum Thema für Compoundschützen: Overcoming Target Panic

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Archery Mental Mastery hat auf Facebook Informationen zur Target Panic gepostet.
Interessanterweise lerne ich bei CC den Compound so zu schießen, wie es Adam Cowming empfiehlt – auch ohne das Thema überhaupt aufzugreifen.

One of the biggest problems I see is a condition known as target panic.

Target panic, like any other ailment, can exist in varying degrees of severity. The one thing that is certain is the fact that everyone who shoots a bow either has or will suffer from target panic at some point. One of the most common symptoms of target panic is punching of the trigger on a mechanical release. This is caused by a fear of seeing your sight pin move in and out of your intended target. Your mind cannot handle this movement, so as soon as your pin moves on to the target you instinctively hit the trigger. I refer to these as drive byes.

The problem with this type of shooting is that by the time your brain relays the message to hit the trigger to your finger, your sight pin has already moved off its target. The outcome is usually a poor group or a missed shot. This is a very difficult habit to break, but with steady work and an open mind, it can be overcome. The way to prevent this is to activate the trigger on your release with back tension.

To explain this I will try and go through it systematically.
1.Draw your bow back to full draw.
2.Place your finger on the trigger of your release. Your finger should curl around so that the trigger sits deeply into your first knuckle. Pretend that your finger is now immobilized. You are only going to be using it as a hook.
3.Aim at the intended target, allowing your sight pin to float in and out of the target.
4.While aiming, gradually increase the amount of pressure across your back by rotating your shoulder blades together.
5.If done correctly, this stretching motion will cause the release to pull forward into your finger causing the release to go off automatically. The shot should startle you as it goes off. If it does you have successfully used back tension to execute your shot.

Keep in mind that this technique will be difficult to learn. However, if you stick with it you will see a noted improvement in your consistency. Some adjustments may need to be made to accommodate this style of shooting. Many people have the length of their release set much too long. If you are using a wrist type release, the release should be short enough so that you can barely place your finger behind the trigger.

Also aus der Rückenspannung/Back Tension. Mit dem STAN-Release ist das auch gut machbar und es gelingt mir immer öfter.

Another common form of target panic is when a shooter cannot place their sight pin on the intended target. Many shooters will come into the target from below. As they raise their sight pin towards the target, it will have a tendency to freeze on a spot several inches low of the target. The archer will be able to hold the pin amazingly steady but will not be able to move the pin higher. This will cause a couple of problems.

The first reaction is to try to muscle the bow on to the target. As the bow moves up the shooter will then punch the trigger. This will lead to very erratic shooting. Some shooters will try and sight in so that their arrow impacts high of where the pin dies. The problem with this is the pin will die lower and lower until the shooter cannot even get the pin close to the target. I have seen cases so severe that the person was actually hitting the trigger before reaching full draw.

If any of this sounds familiar, here are a few suggestions. If you have been coming into the target from below, try to come in from the top. When bringing the pin in from under the target you are using muscles to bring the bow up. As the pin gets closer to the target, you have a tendency to tense up. This causes the pin to die low.

I will draw my bow back so that my sight pin sits just high of its mark. I will then exhale and relax just enough so that the pin settles on to the target. I will then hold there and execute my shot using back tension. By using this technique, I am more relaxed. The key to good shooting is to relax every thing in your body, except for the muscles that hold the bow. By relaxing you will find that you can place and hold your pin where you want it.

Another trick is to draw your bow back with out an arrow and practice placing your pin on a target. Many of you will find that you can hold you r pin on the x as long as you do not have an arrow on the string. By practicing this you can teach your brain that it’s all right to place and hold your pin on that spot.

The key to beating target panic is not to let it get the best of you. Remember that target panic is in our heads. The worst thing we can do is let it get the best of us. Practice the methods we have discussed and hopefully you can beat target panic or sign up to my amazingly powerful programme today www.archerymentalmastery.com

(Urheber unbekannt)

(Urheber unbekannt)

Target Panic ist wie eine chronische Krankheit. Man kann mit ihr gut leben, solange man achtsam ist und sich immer wieder auf die Handlung konzentriert, aber sie kann immer wieder aufflammen. Da ich selbst Asthmatikerin bin, ist mir vertraut, mich mit einer chronischen Erkrankung auseinander zu setzen. Wichtig ist, sie zu akzeptieren! Sie gehört zu dir! Wenn man sie verdrängt, stellt sie sich erst recht gerne in den Vordergrund. Je entspannter man mit ihr umgeht, desto besser kann man daran arbeiten. „Heilung“ kann man nicht erzwingen! Denn ob es eine Heilung gibt, vermag ich nicht zu sagen. Also hilft es auch nicht, sich falsche Hoffnungen zu machen. Schämt euch nicht dafür und geht bitte offen damit um – auch dies sorgt dafür, dass man sich entspannt. Es kann jeden treffen, und wer euch dafür verlacht, hat keine Ahnung! Wachsam bleiben, sich selbst beobachten, seine Strategie im Umgang damit entwickeln und sein persönliches Übungsprogramm anwenden …

Daher gilt: nie aufgeben, nie kapitulieren! Es gibt für jeden einen Ansatz, und dazu braucht es vielleicht einen erfahrenen Trainer, Coach oder Sportpsychologen. Holt euch Hilfe und probiert etwas Neues aus.
Schießen ist viel zu schön, um den Bogen an den sprichwörtlichen Nagel zu hängen!