Die Compound-Challenge
Die Vorgeschichte
In unserer Trainingsgruppe haben wir alle Bogenklassen (Langbogen ist derzeit allerdings nicht vertreten, seit ich auf Recurve umgestiegen bin).
Für mich ist immer interessant, was die anderen lernen und üben. Natürlich war ich nie frei von den Neckereien, wie sie in der Szene üblich sind. Holzbogenschützen lästern gerne über „Fahrräder“, Compounder über die „Holzklasse“, Instinktive über die Visierschützen…
Solange das alles freundschaftlich bleibt, ist das für mich in Ordnung. Die Bogenwelt ist bunt! Und jeder findet, was zu einem passt.
Im April entspann sich in unserer internen Facebook-Gruppe eine kleine Diskussion.
Christian, Compoundschütze:
„Spot oder so ist nicht notwendig , ein Stück Papier reicht mir. Hauptsache die Pfeile bleiben zusammen.“
ich: „Ziele sind völlig überbewertet!
Außerdem bist du Compounder, da muss das so… 😉 “
CC: „Andrea, tztztz, nimm einen Compound und schieß‘, bevor du einen Stab brichst … Ich schieße alle Bögen und hüte mich dergleichen zu machen … Challenge ist Challenge!“
Mh… da hatte er nicht unrecht. Wenn man lästert oder zumindest seinen „Senf“ zu etwas gibt, sollte man wissen, worüber man redet… B)
Gut – ich nehme die Herausforderung an!
Zur Durchführung benötigte ich natürlich Hilfe. Denn kein Compounder verleiht seinen Bogen an einen völligen Anfänger. Und das ist auch gut so, man kann einen solchen Bogen schnell ruinieren. Zumal jeder seinen Bogen für sich eingestellt hat und es nicht viele Compoundbögen gibt, die sich auf verschiedenste Zuggewichte und Auszugslängen verstellen lassen.
Also habe ich meinen „Dealer“ gefragt: Bogensport Bücken
Und die Jungs haben sich bereit erklärt, mich probeschießen zu lassen!
Allerdings würde sich die Herausforderung noch erhöhen:
ein Testbogen in „links“ war nicht vorrätig – ich würde also rechts schießen müssen!
Als Beidhänder kann ich motorisch beides, das wäre nicht das Problem. Nur mein rechtes Auge spielt dabei nicht mit… man würde sehen.
Am 05.05.2015 ab 15 Uhr war es dann soweit!
Und damit jeder etwas von meinen „Compound-Anfängen“ hat, habe ich die Challenge einfach gefilmt!
Kamera, Stativ, eine Markierung zur Ausrichtung – und los.
Die Durchführung
Olaf stellte mir den PSE Rally zunächst auf „Baby“ ein, schließlich war es mein erstes Mal. :>>
Schon beim zweiten Probeschuss war mir klar, dass es ohne Visier nicht geht!
Denn natürlich wollte mein linkes Auge die Richtung vorgeben. Mit Visier brauchte ich nur das linke Auge schließen, dann konnte das rechte seine Arbeit tun.
Nachdem ich dann auch einigermaßen raus hatte, wie ich das Peep nutze und welchen Pin ich für die 10 m benötige (ich musste schließlich die „Mitte“ zwischen zwei Pins wählen, damit die Pfeile auf der richtigen Höhe landen), konnte die Challenge starten!
Dass der Bogen nicht genau auf mich eingestellt war, merkte ich schnell. Im Auszug wäre durchaus „mehr“ drin gewesen. Da ich irgendwie durch das Peep schauen musste, musste ich zu weit hinten ankern! Dazu natürlich das ganze System nach hinten korrigieren und die Bogenhand stark beugen. Daher hatte ich die Sehne nicht vorne an der Nase, sondern seitlich und konnte auch nicht den Mundwinkel als Referenzpunkt nehmen. Wäre es „mein“ Bogen, würde natürlich alles genau auf mich eingestellt werden.
Alles sehr ungewohnt, zumal mit rechts.
Sehr verblüfft war ich, dass ich bereits nach einer Viertelstunde Üben 37,4 # Zuggewicht hatte! Wenn man bedenkt, wie schwer ich mich anfangs mit meinen 30 # auf dem Jagdrecurve getan habe… 😛
Allerdings ist es eine echte Aufgabe „über den Berg“ zu kommen. Sicher gibt es Tricks, wie man besser und flüssiger auszieht, das müsste ich eben üben – ebenso wie die Fitness, den Bogen überhaupt so lange in der Linie zu halten! Aber steht man erstmal im Anker/in der Wand, ist alles leicht und man kann sich auf das Ziel konzentrieren. Interessanterweise fiel mir das gar nicht schwer!
Compoundschießen bringt Ruhe! Keine Hektik, einfach Konzentration auf das Wesentliche.
Gerade für mich, die ich gerne mal die Pfeile zu schnell heraushaue, war das eine interessante, „entschleunigende“ Erfahrung.
Ja, Compoundschießen macht auch Spaß! :yes:
Hätte ich nicht gedacht! Völlig anders und doch spannend!
Nach ein paar Schuss auf den 37,4 # ging mir jedoch die Kraft aus. Olaf drehte die Cams zurück auf 30 #, und dann ging es weiter…
… bis ich auf einmal einen echten Zusammenbruch verspürte! Ich kam mit Müh‘ und Not über den Berg, stand erschöpft im Anker, auf einmal ging die Bogenschulter hoch, die Hüfte drehte raus, der Bogen zappelte in meiner Hand als ob er ein Eigenleben hätte – und ich konnte den Pfeil geistesgegenwärtig gerade noch lösen, bevor die Bogenhand der Schwerkraft nicht mehr widerstehen konnte und geradezu herunterkrachte. 88|
Oha, da bin ich mächtig erschrocken!
Das Gerät hat also seine Tücken! Verzeiht nichts, keinen Fehler und keine Überlastung! 8|
Trotzdem!
Eine lehrreiche Erfahrung – und den Spaß daran hat die letzte Situation mir nicht genommen – immerhin konnte ich sie erfolgreich überstehen!
Mh… vielleicht, wenn mir der Goldesel vor die Füße springt… dann lege ich mir vielleicht auch einen zu. ;D Und vielleicht bleibe ich beim Compound sogar bei Rechts, weil ich so die Motorik und auch mein rechtes Auge trainieren kann.
Solange habe ich mit dem Recurve noch genug zu lernen! :yes:
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Andreas hat mir dann noch den neuen Mathews HTR mit No Cam-Technologie vorgestellt.
Das ist ja ein schickes Schätzchen! Die Neckerei „Fahrrad“ trifft hier wirklich zu, denn die Cams sind wirklich rund, was einen absolut flüssigen Auszug ermöglicht.
Da muss man nicht „über den Berg“ wie beim „normalen“ Compoundbogen!
Das war interessant anzusehen und im Gespräch kamen wir natürlich auf das Back Tension-Release. Gänzlich unbekannt war mir der Begriff nicht, habe ich doch Larry Wise gelesen. 😉
Warum also nicht ausprobieren! Meine Schulter war wieder entspannt…
Andreas zeigte mir, wie man damit arbeitet, allerdings ist sein Release natürlich zu groß für meine schmalen Fingerchen. Ich musste daher den kleinen Finger mit in die Fingermulde legen. So ist es zwar nicht gedacht, aber es funktionierte trotzdem! Beim ersten Auslösen war ich völlig verblüfft!
Denn ich hatte nicht aktiv gelöst, es war einfach passiert!
Das ist wohl gerade der Trick daran. 🙂
Als ich mehrmals „aktiv“ auslösen wollte, hat es nicht richtig funktioniert. Als ich dann die Rückenspannung wieder „geschehen“ lassen konnte, löste der Pfeil wieder sauber heraus.
Ein sehr, sehr spannender Tag und eine tolle Erfahrung!
Vielleicht fahre ich ab und zu mal nach Kamp-Lintfort, um wieder Compound zu schießen! ;D
Challenge angenommen – und gemeistert! :yes:
Wie war der Ausgangspunkt? „Außerdem bist du Compounder, da muss das so…“ Ja, genau, so ist es! Und es macht Spaß! ;D
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Eine zusätzliche Herausforderung war übrigens, dass ich meinen Mund halten musste!
Niemandem davon erzählen, niemanden einweihen (außer den Bückens natürlich), alles geheim halten… :>>
Vielen Dank, Andreas und Olaf, dass ihr mir die Annahme der Challenge und deren Ausführung ermöglicht habt! :wave: