Meine Güte… ich kann es nicht fassen!
Es ist gut!
Gestern konnte ich endlich mal wieder bei dem Reisenden trainieren. Ja, es ging: ich konnte ankern, aber das blöde Gefühl blieb…
Es gab nach dem allgemeinen Training die Möglichkeit, dass ich mit CC darüber quatschen konnte. Er hat nicht verstanden, warum es mir beim Schießen so schlecht ging – und ich war nicht in der Lage, es zu erklären.
JETZT ist es mir klar!
Als Anfänger schaut man einfach, wie es in die anderen machen. Ich war aber nicht in der Lage, das auf mich zu übertragen. Und je mehr ich Videos und andere Schützen anschaute, desto schlechter ging es mir dabei. Die Instinktiven und auch die Olympic-Recurve-Schützen ziehen die Sehne gerade rein. Das ist vermutlich völlig normal, und ich verzweifelte immer mehr, weil es mir einfach nicht gelang!
Ich habe regelrecht eine Blockade entwickelt. Je mehr ich im Training lernte, gerade reinzuziehen, die Hand am Gesicht in den Anker zu führen, desto weniger wollte es mir gelingen… Mit jedem Training ging es mir schlechter, ich konnte es mir ja nicht erklären – machte einfach was mir gesagt wurde. Was ja durchaus ging – aber außerhalb der Trainingssituation wurde es immer schlimmer.
Die letzten Wochen (Monate) entwickelte ich immer mehr Angst vor dem Schießen! Mir war klar, dass es keine klassische Target Panic war – konnte meine Ankerphobie trotzdem nicht erklären. Und mit der Angst vor dem Auszug kam die Angst vor anderen Schützen. So nach dem Motto: „die geht ins Training und wird immer schlechter statt besser“. Obwohl mir das niemand (nun, doch, einer tat es, was mich tief verletzte) sagte, kam es mir so vor. Das hat mein Selbstvertrauen nach und nach immer weiter zerstört…
… wie man sicher auch aus meinem Turnierbericht herauslesen konnte.
Gestern im Gespräch konnte ich das nun erstmals benennen. Was macht mir so Probleme: von vorne reinziehen! Warum das irgendwie „bedrohlich“ auf mich wirkt und mich blockiert, weiß ich immer noch nicht wirklich …
Jedenfalls meinte CC: „ist dein Bogen noch aufgespannt?“ Ja, war er. Und dann hat er mir eine neue/andere Art des Auszugs beigebracht:
nicht mehr frontal in Anker und Linie, sondern gewissermaßen im Dreieck die Zughand von links direkt in den Anker führen. Dann die Linie über den Ellenbogen ausrichten, die Spannung genießen, ein Markerwort – und dann darf der Pfeil fliegen! Nicht zu fassen: zwei Siebenerpassen auf 5 und 10 m – und alle Pfeile gruppierten sich im und ums Gold.
Keine Panik im Ziehen – und ich „sah“ endlich mal das Ziel! Beim frontalen Auszug war mein dominantes Auge trotz Verkanten des Bogens immer vom Wurfarm abgedeckt und ich habe gewissermaßen ins Nichts (bzw. ins „vermutete Ziel“) geschossen.
Wow!
Ich habe mir dann diesen neuen Ablauf notiert und selbst (ohne Trainer) nochmal eine Passe geschossen. Und es ging!
Zuhause habe ich mir überlegt:
Katzen- und Hundeartige laufen (in friedlicher Absicht) nie frontal aufeinander zu! Einen kleinen Bogen zu gehen zeugt von guten Absichten und Wohlwollen. Ich arbeite ja beruflich mit Katzen und kenne daher Höflichkeitsgesten aus dem Tierreich.
Wenn ich nun also über einen „Bogen“ bzw. das Dreieck in den Anker gehe… verändert das sogar mein Verhältnis zum Ziel!
Ich war so aufgewühlt, dass ich heute Nacht kaum geschlafen habe…
ob das wohl heute ohne Trainer auch gehen würde?
Aber ich freute mich endlich mal wieder auf das Schießen!
Ins kalte Wasser geworfen!
Heute vormittag habe ich im Baumarkt noch etwas für den Verein besorgt, daher war ich erst gegen 11 Uhr am Platz. Mike hatte eine Gästegruppe und war mit dieser schon auf der Schießbahn.
Da kam eine weitere Familie. Eigentlich wollten sie erst am Sonntag kommen, aber sie waren gerade vorbeigekommen und fragten, ob sie nicht schon heute…
Mike wollte gerade mit seinen Gästen auf den Parcours und fragte, ob ich die Familie übernehmen würde. Äh ja… o.k.?
„Oh Mist“, dachte ich mir. Was wird das wohl geben? Denn ich hasse es, etwas zu erklären, das ich selbst nicht zeigen kann… Obwohl ich gut erläutern und Hilfestellung geben kann.
Half ja nichts, da musste ich jetzt durch!
Erstmal die Gäste mit Bögen und Zubehör ausgestattet und dann bin ich mit ihnen auf die Schießbahn gegangen. Matthias hatte schon mal Bogen geschossen und wollte jetzt seine Freundin und deren Sohn davon begeistern.
Nach einer kleinen Einführung begann ich also mit dem ca. 8-jährigen Maximilian. Zuerst war ihm der 20#-Vereinsbogen etwas zu schwer, aber wenn die sportliche Leistung eines Kindes aus Gameboy-Spielen besteht, ist da eben auch keine Muskulatur… Umso mehr habe ich mich bemüht, in einigermaßen in die Linie zu bringen – aus eigener Erfahrung wohl wissend, dass es dadurch viel einfacher wird! Mit seiner Mutter ging es deutlich schneller, sie konnte sich recht schnell darauf einstellen – auch wenn sie anfangs ein wenig Bedenken hatte, die Zughand zu ankern = die Sehne so nah ans Gesicht zu nehmen. Und Matthias musste ich nur kurze Erläuterungen geben, dann sank die Zugschulter und der Ellenbogen und seine Pfeile kamen prima raus.
Im ganzen Helfen konnte ich prima vermeiden selbst zu schießen… 😉
Nun ging es also in den Parcours. Allen dreien Hilfestellung gegeben und Maximilian hat mit dem ersten Pfeil den Kranich getroffen! Auch Daniela und Matthias haben sich mit etwas Erläuterung (vor allem der „Höhe“ des Bogenarms) gut angestellt. Nun musste ich natürlich auch. Halb in der neuen Technik, halb im fliegenden Anker: Kranich – Erster – Kill!
Ups! 😮
So ging es dann weiter von Ziel zu Ziel. Meine Gäste schossen sich immer besser ein – und ich ebenfalls! Ein paar Ziele haben wir ausgelassen, damit es den Gästen nicht zu schwer wird. Zweimal brauchte ich drei Pfeile, aber ansonsten reichten maximal zwei, und die Treffer waren nicht schlecht! Da meine Gäste immer weniger Hilfe brauchten, kam mir der Gedanke, warum es mit meinen fliegenden Anker eigentlich immer besser gelaufen war, als mit der „straight in line“-Technik:
mit dem fliegenden Anker kam ich ebenfalls von der Seite rein, habe also im Dreieck ausgezogen. Neu kommt also „nur“ dazu, dass die Hand komplett in die Ankerposition geht und ich dann einfach weiter in die Linie ziehe!
Argh… hätte ich das mal vor ein paar Monaten gewusst – dann wäre mir dieses „Tal der Tränen“ definitiv erspart geblieben!
Aber wie hätte ich benennen sollen, was ich nicht benennen konnte!
Maximilian haben natürlich besonders unsere Fantasy-Ziele gefallen. Eigentlich hätte ich den großen Drachen im Tal lieber ausgelassen – gerade für den Jungen erschien er mir zu schwer. Aber nach dem Trolldorf wollte keine Wildschweine mehr schießen… ;D
Also gut! Ich habe ihm gesagt, dass er sich nun sehr anstrengen muss, ich ihm aber helfe. Und er soll nicht enttäuscht sein, wenn es nicht klappt – das ist ein schwerer Schuss!
Ein Vereinskamerad (der schon mal so einen blöden Spruch gebracht hat) meinte: „tja, und wenn du jetzt mal so gut schießen würdest wie du erklärst“… Hallo? Sowas sagt man nicht vor Gästen! :##
Aber wisst ihr was: es war mir sowas von egal! Mir war wichtig, meinen Gästen Spaß an der Sache zu vermitteln. Auf mein eigenes Schießen habe ich mich gar nicht groß konzentriert. Wenn es mal nicht so gut klappte, konnte ich mit der Familie darüber sprechen: „so ist das eben beim Instinktivschießen. Man trifft nicht immer – und dann wäre es ja auch langweilig!“ Abgesehen davon schoss ich heute so treffsicher wie lange nicht… musste ich ihnen ja nicht auf die Nase binden. 😉
Tja, mit etwas Hilfe beim Ausrichten des Bogens hat Maximilian den Drachen „erlegt“. Mit dem zweiten Pfeil in den Hals! Auch Daniela und Matthias hatten ihre Erfolgserlebnisse.
O.k., jetzt wollte ich mich auch nicht drücken. Meine Gäste habe ich vom vorderen Pflock schießen lassen, ich bin zurück zum „normalen“ gegangen.
1. Pfeil drüber.
2. Pfeil in den Rücken. Ist doch prima, besser konnte es nicht laufen (muss ich ja nicht verraten)! 😉
Bewundernde Blicke meiner Gäste – die wussten ja, dass ich von hinten den Drachen kaum sehe, hatten sie doch selbst mal von der Stelle aus nach unten geschaut.
Meine Gäste waren „durch“, das Mittagessen rief. Also sind wir den restlichen Weg ohne weiteres Schießen zum Platz zurück gegangen und die drei haben sich herzlich bedankt. Alle hatten Spaß gehabt – inklusive mir! Schnell noch das Finanzielle geklärt, verabschiedet – und ich hatte das erste Mal alleine eine Gästegruppe betreut!
Da bin ich doch gleich mal 10 cm gewachsen! :yes:
Kaffee getrunken, einen Raum für einen Lehrgang organisiert, gequatscht, meine Baumarkteinkäufe im Parcours installiert…
Nun wollte ich noch ein wenig trainieren. Hatte ich mir den neuen Ablauf merken können? Meinen Merkzettel hatte ich in der Hosentasche.
Aber ich brauchte ihn gar nicht.
Das „Dreieck“ (der „Bogen“) fühlt sich so stimmig an, das läuft!
Ich konnte auch mit Trainingskollege Peter darüber sprechen. Als Compound-Schütze macht er es eigentlich gar nicht anders, nur das die Zughand waagrecht ansetzt und dann nach außen dreht. Das fand ich nun interessant – hatte ich es doch in dem Buch von Larry Wise auf den Fotos ähnlich gesehen.
Zwischenzeitlich kamen zwei Gastschützen dazu – das war mir völlig egal. Peter wusste ja von meinen Problemen und wollte das Thema daher nicht weiter vertiefen. Aber das Beisein anderer hat mich nun gar nicht mehr belastet.
Zwei Passen á 4 Pfeile auf 10m geschossen. Wie gestern alle im Gold oder Rot.
Und es war so einfach!!!
Heute bin ich so glücklich!
Natürlich ist mir bewusst: das war nun EIN Schritt! Ich habe mich bewusst in die Anfängerposition begeben und ich weiß nun, dass (auch) beim Bogenschießen ein Rückschritt ein Fortschritt sein kann.
Nicht übermütig werden, liebe Andy: es gibt noch genug zu lernen! Es war EIN Schritt! :yes:
Aber ich empfinde diesen Impuls von gestern als einen echten Durchbruch!
Danke, CC – nicht nur für das Training, sondern auch für Verständnis, Zuhören und Da-Sein!
Wie meinte er am Sonntag noch zu mir, als ich so tief im „Tal der Tränen“ meiner mentalen Probleme steckte:
„Setze dich ins Tal, genieße es und spüre wie die Tränen trocknen – von der Sonne, die am Himmel steht.“
Am Sonntag konnte ich das noch nicht verstehen… heute hat mich nicht nur die „wirkliche“ Sonne gewärmt!
Irgendwo muss meine Freunde hin! Ich glaube, ich werde noch tanzen gehen. Und wenn es nur eine Stunde ist.
Denn morgen ist zum Glück nochmal Training bei dem Reisenden – und ich bin schon so gespannt, wo es jetzt hingeht! (y)