Lesestoff

Vor ein paar Monaten habe ich einen Gutschein eines Bogensportshops erhalten. Wofür einlösen? Ich klickte mich durch die Bücherliste.
Ich fand „Einblicke ins instinktive Bogenschießen“ von Jay Kidwell. Der Autor ist Psychologieprofessor in den USA und leidenschaftlicher traditioneller Bogenschütze und -jäger.

Das Buch stand erst mal im Regal, aber letztes Wochenende habe ich es nun doch einmal zur Hand genommen. Als ich im Dezember meine „Krise“ hatte, kam mir das berüchtigte Wort Scheibenangst/Target Panic in den Sinn. Aber ich glaubte, dass ich als Anfänger sicher nicht davon betroffen sei und das Thema eher die lange erfahrenen Bogenschützen betrifft.
Nun habe ich Jay Kidwells Buch gelesen, und es ist wohl doch etwas dran an diesem Gefühl, das ich kenne.

Man sagt, dass Bogenschießen zu 90% mental und zu 10% Technik ist. „Wenn das stimmt, warum handeln dann Bogenschießbücher nur über Techniktraining und nicht über den mentalen Bereich?“, so der Autor.

Jay geht zunächst auf den Schussablauf als solchen ein. Diesen intensiv wahrzunehmen ist der Beginn allen Mentaltrainings. Visualisieren und Fokussieren nimmt darin einen großen Raum ein. Zunächst muss man sich allerdings eine sichere Technik erarbeiten! „Viel hilft viel“ gilt dabei aber nicht. Wenn man sich überfordert, körperlich oder geistig, lernt man nichts außer Misserfolg. Vor allem das Unterbewusstsein bremst einen aus.
Das Visualisieren der Flugkurve des Pfeils und des Ablaufs kann bei jeder Gelegenheit geschehen, also auch wenn man keinen Bogen in der Hand hat! Das Vorstellen eines bestimmten Zieles (beispielsweise ein großer Knopf) hilft dabei. Dieses Ziel heftet man in Gedanken an einen Baum, an ein Straßenschild, an einen Mülleimer oder wohin auch immer, auch im Parcours an das Ziel oder auf die Scheibe. Und dann stellt man sich vor, dieses Ziel zu treffen. Das Unterbewusstsein ist dadurch nicht mit „unterschiedlichen“ verwirrenden Zielen beschäftigt, speichert diese „gleich bleibenden“ Momente ab – und selbst die Muskulatur „erinnert“ sich an den Ablauf.
Jay streut, wenn es theoretisch wird, Beispiele aus anderen Sportarten oder seiner Jagdpraxis (auch im „Danebenschießen“!) ein. So ist das Buch verständlich, selbst wenn man sich noch nicht mit Lerntheorien oder mentalem Training beschäftigt hat.
Das letzte Kapitel befasst sich dann mit der Target Panic. Jay arbeitet heraus, wie sich diese äußert, nämlich in verfrühtem Halten („Einfrieren“) oder in verfrühtem Lösen.
Und dabei habe ich mich ertappt: es ist der zu frühe Release oder „fliegende Anker“, der mir die „Probleme“ macht – was ich allerdings schon seit einiger Zeit für mich herausgefunden hatte. Der Autor gibt nun Tipps, wie man üben kann, konzentriert und länger im Anker zu bleiben – in dem man das Unterbewusstsein „beschäftigt“. Das Ziel ist nicht wichtig, auch wenn man sich das bereits genannte imaginäre Ziel vorstellt.

Für mich ist das Buch nun keine „Offenbarung“, weil mir die Thematik der Konditionierung als solche nicht neu war und ich den theoretischen Hintergrund kenne. Aber aufs Bogenschießen übertragen und die Theorie in Praxis umzusetzen ist eben nicht leicht. Die Tipps und Anregungen sind gut und nachvollziehbar.
Ich habe mir als imaginäres Ziel eine saftige „knallorange“ Clementine gewählt. Diese hänge ich gedanklich an einen Zielpunkt (im Schwimmbad gestern an eine Kachel oder heute früh an einen Telefonschaltkasten). Natürlich „treffe“ ich die Frucht (denn ich visualisiere den „richtigen“ guten Schussablauf und Pfeilflug) und der süße Saft spritzt heraus, den ich trinken kann… :>> Es ist ein Gedankenspiel in der eigenen Phantasie – das Spaß macht! Und darauf kommt es ja an! Denn das Unterbewusstsein prägt sich diese positiven Momente ein.
Trotzdem bleibt natürlich weiterhin die Aufgabe, an der Technik zu üben!

Mit diesem Buch kann man gut arbeiten – denn man kann jederzeit „zurück springen“ und die Übungen neu aufbauen, falls es erforderlich ist.
Für alle Lernenden eine klare Empfehlung!

Nur die Methode, wie man einem Hund „Sitz“ beibringt, ist völlig antiquiert. Natürlich funktioniert die klassische Konditionierung, aber der Lerneffekt ist höher und dauerhafter, wenn der Hund nicht körperlich manipuliert wird, sondern sich das Kommando selbst erarbeitet! 😉

ISBN-13: 978-3950177862

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Gestern hatte ich Einzeltraining bei CC, weil sonst niemand aus unserer Trainingsgruppe kommen konnte.

Die Erkenntnisse aus meinem Schießkino haben mich definitiv weiter gebracht, ich konnte gestern (für meine Begriffe) schon auf einem einem anderen Level starten. Natürlich gibt es immer noch genug zu tun!
Aber ich kam nach und nach immer besser rein, der Körper nahm die Korrekturen an und irgendwann habe ich gar nicht mehr „gezielt“. Locker und konzentriert, kraftvoll und doch „weich“ in der Bewegung… Die letzten Passen war ich nur noch in mir, das hatte schon etwas Meditatives! Die Scheibe war nicht mehr wichtig, die Pfeile „wussten“, wo sie hin sollen. Unbewusst (!) habe ich trotzdem korrigiert und zum Schluss hatte es schon was von einer „Kerzenfabrik“ (enge Gruppierung). Wow! Bin jetzt noch völlig geflasht…
So soll es sein, da will ich hin! :yes:
Dieses Glücksgefühl ist wunderbar!

Ein Kommentar

  1. Pingback: Target Panic | 3D-Bogensport

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